Mit dem Strom oder dagegen?
Die 13. „denk.werkstatt“ bei Resopal
Mehr als 400 Gäste begrüßte Resopal am 8. und 9. November 2013 zur 13. „denk.werkstatt“ zum Thema „stand.punkten:main.streamen“. Auf dem Event, das Architekten nicht nur als Fortbildung, sondern viele der Gäste auch als Bewusstseinsbildungsprozess betrachten, freute sich der Moderator und Mitbegründer der „denk.werkstatt“, Professor Rudolf Schricker, Vizepräsident des BDIA, über acht „charakterstarke“ Referenten mit interessanten Standpunkten.
Corinna Kretschmar-Joehnk zündete gleich zu Beginn ein Feuerwerk und erläuterte, wie das Büro JOI-Design aus Hamburg bei Hotelprojekten innen punktet, sozusagen den Mainstream trifft, ohne ihm zu erliegen. Nach ihr beschrieb der Stuttgarter Architekt Martin Bez, wie ergebnisoffen Bez + Kock Architekten ein spezifisches Objektvorhaben aus einem Ort, der Gebäudefunktion und der individuellen Interpretation entwickeln. Ohne sich einem Stil unterzuordnen, ginge es darum, eine Haltung zu bewahren. Neues käme nur durch Abweichung zustande, und das Abweichen erfordere Argumentation. Dabei käme es nicht darauf an, welchen Standpunkt man vertritt, sondern wie man ihn vertritt.
Der ehemalige Keyboarder der Band „Fehlfarben“ Carl-Frank Westermann erläuterte als „Soundprofessor“ und Gründer von „WESOUND“, Agentur für Auditive Markenentwicklung, wie sinnvoll über Sound Bilder und Gerüche im Kopf entstehen. So unbewusst wie Sound wirke, so bewusst sei Sound leider nicht gestaltet. Dazu brauche es Standpunkte, sagte Westermann. Am Freitagabend brachte der Kreativtrainer Christoph Emmelmann das Publikum dazu, sich im wahrsten Sinne des Wortes ins Fäustchen zu lachen oder sich vor Lachen zu biegen. Der Sinn seiner unterhaltsamen Gemeinschaftsaktionen lag darin, sich vom linearen Denken und von vorgefertigten Erwartungen zu lösen und so zu einem spontanen, fast kindlichen Erleben des Hier und Jetzt zu gelangen.
Nach einer kurzen Nacht, die die Band „Shaqua Spirit“ gestaltete, rüttelte Dr. Heide G. Schuster die Teilnehmer der „denk.werkstatt“ am Samstagmorgen mit ihrem Vortrag über nachhaltiges, „enkelgerechtes“ Bauen wach. Ihr Fazit: „Die beste Form der Nachhaltigkeit ist denken, ganzheitlich denken, auch mal über die Normen hinausdenken!“ Der folgende Vortrag von Professor Dr. Niko Kohls hätte aktueller nicht sein können. Er erläuterte das Problem, das die vielen stressgeplagten Menschen in der heutigen Zeit für die Volkswirtschaft darstellten und machte sich für eine besondere Gesundheitsförderung stark. Achtsamkeit als Art des Bewusstseins und Ergebnis einer lernbaren Emotionssteuerung müsse in die Gesellschaft getragen werden. Dabei spielen die Räume, in denen Achtsamkeit stattfindet und die Möglichkeiten bieten, Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen, eine große Rolle. Aber, so seine Frage: „Wer baut diese Räume und wie sehen sie aus?“
In seinem provakanten Vortrag zum Thema „Social.Stream“ erläuterte Professor Dr. Frank Schulz-Nieswandt vom Seminar für Genossenschaftswesen und Sozialpolitik der Universität zu Köln, was es heißt, in sich zu ruhen, Kraft zur Bewegung zu gewinnen und sozialen Wandel zu ermöglichen. In seine Überlegungen integrierte er Erkenntnisse der Philosophie und Anthropologie, der Kulturgeschichte und Bindungsforschung. Mit dem Satz „Wir brauchen eine Tugendlehre“ kritisierte er die miserable Bildungssituation in Deutschland, der es an sozialen Lernprozessen fehle. „Wir brauchen wieder Menschen mit Sozialcharakter und mit Daseinskompetenz, die offen sind für das Andersartige“, sagte er und meinte damit auch, dass die Voraussetzungen für die politisch geforderte Inklusion fehlten.
Den Schlussakkord setzte Professor Peter Hübner, der Bauen als höchst sozialen und verantwortungsvollen Prozess versteht und eine handgemachte, mit den Nutzern entworfene Architektur als nicht perfekte, aber nachhaltigste Lösung pries. Im Scheitern, so Hübner, liege die Chance, etwas wirklich Gutes hervorzubringen.
Die „denk.werkstatt“ im nächsten Jahr wird wieder am zweiten Wochenende im November stattfinden, und zwar am 7. und 8. November 2014. Das versprach Resopal-Geschäftsführer Christof Rauen abschließend.
Bildtext 1: Corinna Kretschmar-Joehnk und Peter Joehnk, JOI-Design GmbH Innenarchitekten, Hamburg. Foto: Resopal
Bildtext 2: Martin Bez, Bez + Kock Architekten Generalplaner GmbH, Stuttgart. Foto: Resopal
Bildtext 3: Carl-Frank Westermann, WESOUND Agentur für Auditive Markenentwicklung, Berlin. Foto: Resopal
Bildtext 4: Christoph Emmelmann, Kreatives Training Ltd., Bielefeld. Foto: Resopal
Bildtext 5: Dr. Heide G. Schuster, Architektin, Stuttgart. Foto: Resopal
Bildtext 6: Professor Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Seminar für Genossenschaftswesen/Seminar für Sozialpolitik, Universität zu Köln. Foto: Resopal
Bildtext 7: Professor Dr. Niko Boris Kohls, Diplompsychologe und Achtsamkeitsforscher, Bereich Integrative Gesundheitsförderung der Hochschule Coburg. Foto: Resopal
Bildtext 8: Professor Peter Hübner, plus+ Bauplanung GmbH, Neckartenzlingen. Foto: Resopal
Bildtext 9: Professor Rudolf Schricker, Vizepräsident BDIA. Foto: Resopal
Bildtext 10: Die Band „Shaqua Spirit“ aus Darmstadt. Foto: Resopal
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